Auf historischer Spurensuche -

die Tradition der Bildhauer in Liebenwerda

Bildhauer waren im 19. Jahrhundert angesehene Bürger der Gesellschaft. Sie galten als Handwerker, nahmen in diesem Rahmen aber eine Sonderstellung ein. Die künstlerische Gestaltung von Stein in voller Körperlichkeit oder als Relief, d. h. mehr oder weniger an eine Fläche gebunden, zeugten von ihren hohen Fähigkeiten und brachten ihnen großes Ansehen und Akzeptanz in der Gesellschaft ein. Sie durften sich in der Vergangenheit nicht willkürlich ansiedeln. Die Niederlassung eines Konkurrenten im selben Orte gestattete die Verwaltung nicht. Es wurde vor allem Sandstein oder Marmor bearbeitet. Sandstein war als einheimischer Rohstoff billiger als Marmor, weil letzterer aus Italien herbeigeschafft werden mußte.

Auch die Stadt Liebenwerda kann auf eine lange Tradition der Bildhauer zurückblicken.

Im Mittelpunkt dieser Tradition steht wohl die Liebenwerdaer Bildhauerfamilie Lauschke. Viele Denkmäler und Grabsteine im Altkreis Bad Liebenwerda und Umgebung sind heute noch Zeugen ihren Wirkens.

Die früheste Spur ist "die ergebenste Anzeige, daß ich das Piedestal (Piedestal -Sockel zur Aufstellung von Säulen, Bildwerken u. ä.) mit Aufstellung in nachstehenden Preisen zu liefern in Willens bin.". Dieser Kostenvoranschlag wurde vom Bildhauer G. Lauschke dem "Graun Comite zu Wahrenbrück" am 16.05.1868 aus Herzberg zugestellt.

In Betten bei Finsterwalde befinden sich drei von Lauschke geschaffene Grabsteine.

Sie stammen aus den Jahren 1870/71. Hier steht im Sockel eines Grabsteins "G. Lauschke Bildhauer in Liebenwerda". Diese Grabsteine an der Kirche von Betten zeigen nach ca. 130 Jahren an ihrer ursprünglichen Wetterseite natürlich starke Verwitterungserscheinungen. Erstaunlich ist auch, wie weit die Grabsteine von Liebenwerda entfernt stehen. Der Transport von Liebenwerda nach Betten konnte nur mit dem Pferdefuhrwerk durchgeführt werden, was wahrscheinlich einen ganzen Tag gedauert hat.

Auch in Würdenhain wurde ein Grabstein mit den Initialen G. Lauschke entdeckt (Foto3), dessen Alter bisher nicht festgestellt werden konnte.

Vor allem mit dem überraschenden Fund von Tontafeln im Denkmalsfuß der "Germania" in Hohenleipisch 1999 lenkte sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf seinen Erschaffer - den Liebenwerdaer Bildhauer Lauschke. Errichtet wurde sie im August 1879, als Denkmal zu Ehren der Gefallenen im deutsch-österreichischem Krieg.

Nach dem das vergangene Jahrhundert seine Spuren auf dem Denkmal hinterließ, konnte die "Germania" nach einer umfangreichen Rekonstruktion durch die Bildhauerei Anlauff Bad Liebenwerda am 31.08.2001 wieder aufgestellt werden.

Im September 1879 wurde das Denkmal die “Viktoria" zu Ehren der aus Stolzenhain im Kriege gegen Frankreich gefallenen Kameraden eingeweiht.

Das “Liebenwerdaer Kreisblatt" vom 17.9.1897 beschreibt das Denkmal so:

“Das Denkmal steht unweit der Kirche mitten im Dorfe und ist vom Bildhauer Herrn Lauschke in Liebenwerda gefertigt. Es besteht aus vier Sandsteinstufen, einem Quadrat mit Inschriften, einer achtkantigen Säule und darauf steht auf einer mit Sternen gezierten Weltkugel die Viktoria, einen vergoldeten Palmenzweig und Siegeskranz haltend. "

Am 31.05. 1904 ist “durch ruchlose Hand der rechte Arm der Viktoria , womit dieselbe einen Kranz präsentiert, herabgeworfen worden"(Liebenwerdaer Kreisblatt vom 02.06.1904).

Der Elsterwerdaer Bildhauer Vogt wurde mit der Restauration und Erneuerung der Statue beauftragt. Die Wiedereinweihung wurde dann am 28. und 29. August 1904 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Militärvereins gefeiert. Leider blieb auch dieser "Viktoria" Vandalismus nicht erspart.

Aus der Liebenwerdaer Werkstatt soll auch nach Aussagen von Fachkundigen die Skulptur auf dem Stadtfriedhof stammen. Im Sockel steht das Herstellungsjahr 1902. Diese Figur wurde ebenfalls bereits durch eine Nachbildung ersetzt.

Die Wirkungsstätte der Lauschkes in Liebenwerda befand sich in der Berliner Straße 8, dem Grundstück, das jetzt Herrn Lothar Gratz gehört.

Hier sind die Spuren der Tätigkeit der Bildhauer, dank des Engagemets des Eigentümers heute noch zu sehen. Die Sandsteinrose im Giebel

und die Engelsköpfe unter dem Sims der Vorderfront, von denen jedes einen anderen Gesichtsausdruck trägt,

zeugen vom Schaffen der Bildhauer. Die Überdachung der Freiluftarbeitsstätten im Hof wurde von runden Sandsteinsäulen gestützt.

Die Familie Lauschke lebte über mehrere Generationen als Bildhauer auf diesem Grundstück. Die erwähnten nachweisbaren Spuren ihres Wirkens können nach dem heutigen Kenntnisstand nicht nur einer einzelnen Person zugeschrieben werden, sondern gelten eher der Bildhauerwerkstatt.

Nachforschungen die einzelnen Personen betreffend, sind nur begrenzt möglich. Im Archiv des Einwohnermeldeamtes in Bad Liebenwerda beginnen die Aufzeichnungen z.B. erst mit dem Jahr 1864.

Von G. Lauschke sind z.Z. keine Lebensdaten bekannt.

Soweit es sich zurückverfolgen läßt, lebte der Bildhauer Johann Friedrich Lauschke von 1852 bis 1882. Nach seinem Tode heiratete die Witwe Lauschke später Herrn Ernst Windisch (1846-1919). Ernst Windisch setzte den Bildhauereibetrieb fort. Dokumentiert ist seine Mitgliedschaft im 1874 gegründeten Verschönerungsverein zu Liebenwerda 1884, dessen "Zweck" es war, "die in der Stadt Liebenwerda dem Weichbilde derselben vorhandenen öffentlichen Anlagen zu verschönern und neue daselbst anzulegen."

Im Hof des Grundstücks Berliner Straße 8 sind jetzt noch seine Initialen zu sehen.

Nach Ernst Windisch übernahm dessen Sohn, Hans Windisch (1887-1925) das Grundstück. Er wandelte 1919 den Bildhauerbetrieb in einen Kolonialwarenhandel um.

Die Verbundenheit der Familien Lauschke und Windisch war durch ihre gemeinsame Grabstätte auf dem Stadtfriedhof Bad Liebenwerda nachvollziehbar.

Sie besteht aus 10 einzelnen z.T. Gruftgräbern. Auf dem Steinwürfel befand sich ein Grabstein mit der Aufschrift: Ruhestätte der Familien Lauschke und Windisch. Der Grabstein war aus Marmor und dem aus Würdenhain ähnlich. Er wurde erst in den 80-iger Jahren auf Betreiben der Stadtverwaltung entfernt.

Ab 1919 wurden die Steinmetzarbeiten vom Bauunternehmen Schleinitz übernommen. Die Werkstätten befanden sich in der Berliner Straße 57. Die Baufirma mußte in den 30 iger Jahren schließen, und Herr Karl Lehmann (1896-1982) gründete in der Torgauer Straße 2 eine Bildhauerwerkstatt. Man kann seinen Namen heute noch über dem Toreingang sehen.

1947 eröffnete der Steinmetzmeister Otto Anlauff (1904-1981) seinen Steinmetzbetrieb in einem der Produktionsgebäude von REISS im Südring. Er verlagerte 1951 die Werkstatt auf das Grundstück Maxim-Gorki-Platz 2. Sein Sohn Bernhard Anlauff übernahm den Betrieb 1975. Da die Nachfrage ständig stieg, wurde in der Bormannstraße 15a eine neue Produktionsstätte gebaut. Seit 1988 werden die Bildhauer- und Steinmetzarbeiten in Bad Liebenwerda dort ausgeführt.

Sicher gibt es noch weitere Spuren der Bildhauer von Liebenwerda. Der interessierte Leser kann zur Vervollkommnung dieser Geschichte beitragen, falls er weitere Objekte der Bildhauer findet oder durch die Mitteilung von Überlieferungen.

Fotos Nancy Windisch

22.03.2002

siehe auch Heimatkalender für das Land zwischen Elbe und Elster Nr. 54 2001 S. 133 ff.

der Grabstein heute (2013)

 

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Baldur Windisch