Plessa 1945

 

Nach Augenzeugenberichten

 

Plessa war vor 60 Jahren einer der Orte, die wie die Stadt Treuenbrietzen durch die Auswirkungen des Krieges besonders zu leiden hatte.

In Treuenbrietzen wurde wegen einem von Hitlerjungen verübten Attentat auf einen Offizier der Roten Armee der gesamte männliche Teil der Bevölkerung erschossen.

Auch in Plessa mußte die Zivilbevölkerung die Willkür der Besatzer erleiden. Die dieses miterlebten, waren damals noch Jugendliche. Hier ist eine Zusammenstellung ihrer Berichte.

Am 16. April 1945 begann die russische Offensive an Oder und Neiße. Die sowjetischen Truppen hatten eine 8 bis 20ig fache Überlegenheit, unterschiedlich je nach Waffengattung. Die Kämpfe erfolgen mit großer Verbissenheit. Politoffiziere der Roten Armee manipulierten ihre Soldaten mit der Behauptung, daß die Opfer von Maidaneck und Auschwitz Russen gewesen seien, um den Haß zu steigern. Die Nachrichten von den Übergriffen der Sowjetsoldaten auf die Zivilbevölkerung verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

Teile der SS-Division "Frundsberg" (Ritter Georg v. Frundsberg, (1473-1528) Gründer der deutschen Infanterie) wurden im Laufe der Kämpfe bei Spremberg eingekesselt.

Die Rote Armee hatte schon vorher an gefangenen SS-Soldaten Folterungen und willkürliche Massenerschießungen vorgenommen. Die Truppe ergab sich deshalb nicht und es kam zu mehreren Ausbruchsversuchen.

Am 20. April 1945 fand der letzte Appell des Jungvolkes statt. Mit Fanfarenzug marschierten die Jungen zum Arbeitsdienstlager in die alte Mückenberger Straße. Dort wurden die Ausweise eingesammelt und vernichtet. Es hieß, die Russen kommen sowieso und die Dokumente wären ein Risiko für jeden. So erfolgte die Auflösung des Jungvolkes.

Die letzten Tage vor dem Einmarsch gab es täglich Fliegeralarm. Die BRABAG (heute BASF) wurde mit Tieffliegern angegriffen. Auf dem Bahnhof beschossen sie die Lok eines Munitionszuges und töteten den Lokführer.

Im Ort wurden mehrere Panzersperren errichtet. Der Volkssturm verließ aber die Panzersperren ohne Widerstand zu leisten.

Am 21.April 1945 erschienen um 20 Uhr die ersten russischen Spähtrupps aus Richtung Hirschfeld und durchsuchten Teile von Plessa. Die meisten Einwohner hatten sich in die Weinberge oder das Schradenland in Sicherheit gebracht. Fast alles mußte zurückgelassen werden.

In der Nacht zum 22. April waren russische Panzer in Richtung Plessa unterwegs. Gegen 1 Uhr wurde die Muna in Hohenleipisch gesprengt.

Plessa war vollbesetzt mit sowjetischen Militärfahrzeugen aller Art. Haus für Haus wurde nach deutschen Soldaten, Uhren, Alkohol, Lebensmitteln und Frauen durchsucht. Es kommt zu den ersten Vergewaltigungen und die ersten Häuser wurden angezündet. Wer löschen wollte, wurde erschossen. Ein großer Teil der Einwohner lagerte außerhalb des Ortes in den Wäldern zwischen den Bergbaugebieten oder im Schradenland.

24.04.1945

Die russischen Kriegsgefangenen wurden von ihren eigenen Landsleuten als Kollaborateure in Staupitz auf dem Sportplatz erschossen. Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Die Soldaten haben systematisch beobachtet, wo junge Frauen sind. Die Bevölkerung versuchte ihre Frauen und Töchter zu verstecken. Dabei gab es große Schwierigkeiten bei ihrer Versorgung mit Lebensmitteln, denn die Soldaten wachten über jede Bewegung. Viele Frauen wurden mehrfach vergewaltigt, so auch die Frauen der Umsiedler aus dem Raum Aachen. Sie waren wegen der Bombengefährdung umgesiedelt worden, und in Plessa untergekommen. Nach den Vergewaltigungen suchten einige Frauen den Freitod und gingen ins Wasser.

Nun erschienen die zurückziehenden polnischen Kriegsgefangenen. Sie waren z. T. bewaffnet, haben alles geplündert und sich in den Häusern eingerichtet. Alles was nicht niet-und-nagelfest war, wurde dann gestohlen. 

Nachmittags kamen die aus dem Spremberger Kessel ausgebrochenen Truppenteile der SS-Division Frundsberg über Staupitz, Gorden, Hohenleipisch nach Plessa. Sie wollten über Liebenwerda die Elbe erreichen, um sich den Westalliierten zu ergeben, von denen sie sich eine bessere Behandlung als Kriegsgefangene erhofften. Die Einheit bestand zusätzlich aus vielen versprengten Soldaten verschiedener Waffengattungen und einem langen Anhang von Flüchtlingen. Ihr Kommandeur war Oberst Harmel. Die Ortschaften auf dem Weg wurden erst umringt, und dann aus mehreren Richtungen eingenommen. Sie waren mit 5 Panzern, einigen Geschützen, einem Panzerspähwagen und ca. 600 bewaffneten Soldaten unterwegs und hatten keine Aussicht auf Nachschub. Da zählte jeder Liter Treibstoff und jede Patrone. Durch Hitlerjungen erfuhren sie, daß die Elsterbrücke in Plessa nicht gesprengt worden war.

Als die deutsche Einheit in Plessa ankam, setzte sie sich in Richtung Elsterbrücke in Bewegung. Sie schossen von der alten Bahnbrücke aus in den Ort.

Während der Treck durch die Finsterwaldaer Straße zog, durchkämmten die Soldaten andere Straßen. Sie gingen mit aller Gewalt gegen die Besatzer vor, die völlig überrascht waren und wenig Widerstand leisteten. Einige versteckten sich.

Die Plessaer waren froh, deutsche Soldaten zu sehen, denn das gab ein kleines, wenn auch trügerischeres Gefühl der Sicherheit. Sie verrieten, wo sowjetische Soldaten untergebracht waren und versorgten die deutschen Soldaten mit Brot, Wurst und Konserven.

Dann durchbrach die Abteilung den Verkehr auf der Hauptstraße. Vor der Gaststätte gegenüber der Kirche wurde ein russischer Kommissar mit seinem Kutscher erschossen. In der Kirchenecke lagen später die Leichen vieler russischer Offiziere. Der Weg durch Plessa war durch viele Erschlagene und Erschossene gekennzeichnet. Unter den Toten gab es 55 deutsche Soldaten. Einige Plessaer flüchteten, gewarnt durch die SS, in den Schutzraum auf dem Weinberg.

An der Elsterbrücke kam es zu harten Nahkämpfen mit den polnischen Fremdarbeitern.

Hinter Plessa fand die Einheit in einer Feldscheune ein Munitionslager. Ein Teil der Plessaer zogen mit dem Trupp mit. Es wurden viele Pferde und andere Fahrzeuge erbeutet. Mit den motorisierten Fahrzeugen, die "berittenen Einheiten" die rechts und links der Straße im Gelände gingen und dem übrigen Fußvolk ging es in Richtung Hirschfeld. Es war ein wilder Haufen, der dem Gegner mehr Eindruck machte, als tatsächlich dahinter stand.

Über Hirschfeld marschierte die Gruppe unter Umgehung von Großenhain in den Raum von Bärwalde-Moritzburg. Westlich von Dresden wurde die Elbe überschritten und man kam bis Teplitz-Schönau.

25. April 1945

Nach dem Durchbruch in Plessa erschien dort die russische Verfolgungseinheit immer in gebührendem Abstand zu den Resten der SS-Division "Frundsberg". Sie bestand aus zwei Abteilungen. Die eine Einheit strafte die Bevölkerung ab, und die andere legte den Brand. Am frühen Morgen holte die erste Abteilung die Einwohner aus den Häusern und eröffnete das Feuer auf die Zivilbevölkerung. Es soll ein blaues Auto mit Fässern mit Benzin gewesen sein, das gegen halb 10 aus Richtung Döllingen kam und vorher in Hohenleipisch war, der zweite Einsatz. Mit Eimern und Kannen wurde das Benzin in den Häusern ausgeschüttet und die Häuser angezündet. Wieder wurde jeder, der löschen wollte, erschossen. Bewohner ganzer Straßenzüge fielen diesen Massakern zum Opfer und es gab auch Verstümmelungen und Misshandlungen. Der südliche Ortsteil versank in Schutt und Asche. Auch die Plessaer Kirche ging in den Flammen unter. Abgebrannt wurden zumeist die Häuser, vor denen die meisten russischen Toten lagen.

Ein Plessaer, der aus dem Versteck an der Elster zurückkehrt, findet sein Grundstück abgebrannt vor. Es liegen dort auch verkohlte Leichen, denen zuvor Arme und Beine abgetrennt oder abgeschossen waren. Es gab in vielen Fällen keine Möglichkeit der Identifizierung mehr.

Mindestens 160 deutsche Opfer waren zu beklagen. Diese Toten sind z. T. namentlich bekannt. Die Zahl der verstümmelten , nicht identifizierbaren Zivilisten und auch die der gefallenen sowjetischen Soldaten bleibt ungewiss.

Herr Leißker mußte die Toten wegräumen und bestatten. Er starb an einer Blutvergiftung.

eines der abgebrannten Häuser

Die materiellen Schäden: ca. 240 Wohnhäuser, 7 öffentliche Gebäude, 140 Ställe, 140 Scheunen und 190 Schuppen und Nebengebäude waren abgebrannt.

Die Sowjetarmee erklärte dann Plessa zum "Partisanenort". Dadurch mußte die Bevölkerung noch stärker unter Repressalien und Plünderungen durch die polnischen Flüchtlinge leiden.

Einige Plessaer, die bis nach Teplitz- Schönau der SS-Einheit gefolgt waren, kehrten erst Mitte Mai total erschöpft, aber unversehrt nach Plessa zurück.

 

Baldur Windisch 01.05.2005

Siehe auch Zeitschrift "Auf einen Blick" 1 u. 2/2005